Beduinen der Neuzeit

Rub' Al-Khali, Oman. Foto: Lothar Ruttner

Gemeinsames Kochen fernab jeglicher Zivilisation, ein Abend am Lagerfeuer, schlafen unter den Sternen und von den ersten Sonnenstrahlen geweckt werden – eine Reise in die Wüste, auf den Spuren der Beduinen, bringt uns zurück zu einem Leben mit der Natur und zum Kern dessen, was uns ausmacht.

Von den Ebenen der Metropolregion Maskat mit seinen kilometerlangen Stränden, über die bis zu 3.000 Meter hohe Bergwelt des Hadschar-Gebirges, von den fast tropischen Hängen der Weihrauch-Region Dhofar bis in die sandige Endlosigkeit des „leeren Viertels“, der Rub’ Al-Khali-Wüste, bietet der Oman eine abwechslungsreiche geografische Vielfalt.

Es waren vor allem diese Weiten der größten Sandwüste der Erde, die für uns den Ausschlag für die Wahl dieses Reiseziels gegeben hatten. Mit etwa 780.000 Quadratkilometern erstreckt sich die Rub’ Al-Khali über das südliche Drittel der arabischen Halbinsel – von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Oman bis in den Jemen. Zu einem großen Teil besteht die Wüste aus bis zu 300 Meter hohe Sanddünen. Ein guter Teil des omanischen Staatsgebietes sind von ihrem Sand und ihren Steinen bedeckt.

Warum gerade diese für Menschen so lebensfeindliche Landschaft einen so großen Reiz auf uns Europäer ausübt? Vielleicht ist es das Fehlen aller zivilisatorischen Errungenschaften, die im täglichen Alltag zu Hause eine Selbstverständlichkeit geworden sind. Wenn kein Mobiltelefon mehr Aufmerksamkeit fordert, wenn die Reizüberflutung ausbleibt, wird der Blick plötzlich frei für das Wesentliche. Sonnenauf- und -untergang werden wieder zum Rhythmusgeber und lassen uns den Urzustand des Menschseins erahnen.

Von Salalah aus, an der Küste von Dhofar, der Weihrauchregion im Südwesten des Landes, fährt unserer kleine Gruppe mit zwei Jeeps ins Landesinnere. Zunächst noch auf der Autobahn unterwegs, zweigen wir bald auf eine asphaltierte Landstraße ab, die schließlich von einer geschotterten Piste abgelöst wird. Dort, wo selbst diese endet und die ersten Ausläufer der Sanddünen zu sehen sind, enden auch die Regeln der Zivilisation. Im Niemandsland der Wüste dürfen wir fahren, wohin der Sinn uns steht, dürfen wir bleiben, wo wir uns wohlfühlen.

Gemeinsames Kochen im Lager in der Rub' Al-Khali. Foto: Lothar Ruttner
Gemeinsames Kochen im Lager in der Rub’ Al-Khali. Foto: Lothar Ruttner

Irgendwo zwischen den Dünen bauen wir unser erstes Zeltlager auf. Als die Sonne sich langsam dem Horizont nähert, die Schatten immer länger werden, klettern wir auf die Sanddünen. Der erste Sonnenuntergang über der Wüste lässt das Herz höher schlagen. Im letzten Tageslicht bereiten wir das Abendessen zu und genießen die kühlen Abendstunden am Lagerfeuer.

Als uns die ersten Sonnenstrahlen nach einer Nacht unter dem Sternenhimmel wecken, beweisen zahlreiche Spuren im Sand, dass die Wüste gar nicht so tot ist, wie es tagsüber scheinen mag. Mäuse, Käfer und andere Insekten ließen sich des Nachts von unserer Anwesenheit nicht stören, sind mit Tagesanbruch aber wieder verschwunden. Während der Tee am Feuer brodelt, spüren wir mit jeder Minute, wie die Sonne, je höher sie steigt, mehr und mehr Kraft entwickelt und im Tagesverlauf die Temperaturen bereits im April auf über 40 Grad klettern lässt.

Mittags machen wir Halt in einem kleinen Oasenörtchen, dessen Name sich nicht im Gedächtnis eingebrannt hat, und dessen Existenz keine Karte bestätigen will. Unter einem ein wenig Schatten spendenden Baum legen wir unsere Picknickdecken aus, entspannen von der Fahrt und verstecken uns vor den Strahlen der Sonne. Adel, unser jemenitischer Reiseführer, bereitet einen Salat aus Hülsenfrüchten und Roter Beete zu, so einfach, wie die Expeditionsküche das verlangt, aber so gut, dass er die Beschränktheit gleich wieder vergessen macht.

Als wir am Abend unser Lager in der Nähe eines Wasserbrunnens aufstellen, können wir der Versuchung nicht widerstehen, uns eine Dusche zu gönnen. Die unterirdischen Wasservorkommnisse, die den Brunnen speisen, wurden bei Probebohrungen auf der Suche nach Erdöl entdeckt. Seither sprudelt das warme, stark schwefelig riechende Wasser an die Oberfläche und bietet dem Reisenden den Luxus einer Dusche inmitten der Trockenheit der Wüste. Das befreiende Gefühl nach einem ganzen Tag in der Hitze ist unbeschreiblich.

So sehr uns dieses Wüstenerlebnis, das gemeinsame Kochen, das Lagerfeuer, das Schlafen unter dem Sternenhimmel auch erdet, so bleibt es dennoch reine Romantik, wissend, dass wir hier ohne die technischen Hilfsmittel, auf die wir uns auch weit abseits jeglicher menschlicher Siedlungen verlassen können – die Jeeps, die uns das Essen und vor allem die vielen Kanister mit Wasser transportieren, zum scheitern verurteilt wären. Es ist diese Abhängigkeit, die uns der Fragilität unserer menschlichen Existenz bewusst werden, in einem Umfeld, in dem eine Autopanne lebensbedrohend werden kann.

Nach einer Woche im Zelt fühlt sich die erste Nacht im Hotel eigenartig an. Die Klimaanlage surrt, die Dusche im abgeschlossenen Bad wäscht die letzten Spuren des an der Haut klebenden Sandes ab, die Matratze des Bettes schmeichelt dem Rücken, und doch wirkt alles irreal, nicht von dieser Welt. Die eben noch scheinbar neu gewonnene Freiheit scheint beschnitten und eine sehnende Erinnerung an die letzten Tage ohne all diesen Luxus wird wach. Wir stellen uns die Frage, ob es die Beduinen, die noch vor wenigen Jahren durch das leere Viertel zogen, nicht doch irgendwie besser hatten.

„Niemand kann dieses Leben leben oder unverändert daraus hervorgehen. Er wird für immer, mehr oder weniger deutlich, das Zeichen der Wüste, das Zeichen des Nomaden tragen; und er wird immer das Heimweh nach diesem Leben spüren, leise oder brennend, jeden nach seiner Veranlagung. Denn dieses grausame Land kann einem Zauber ausüben, dem ein gemäßigtes Klima nichts Vergleichbares entgegen zu setzen hat.“ – Wilfred Thesiger, Die Brunnen der Wüste

Wer heute in die Rub’ Al-Khali reist, kann abseits der Siedlungen, die teils als Vorposten gegen die Landnahme durch Saudi-Arabien mitten in der Wüste errichtet wurden und von der Hauptstadt Maskat aus versorgt werden, nicht mehr mit vielen menschlichen Begegnungen rechnen. Mit den Siedlungen hat der – für arabische Verhältnisse sehr umsichtig regierende – Sultan Qabus ibn Said dafür gesorgt, dass die meisten Beduinen ihr Nomadenleben aufgegeben haben und sesshaft geworden sind.

Nachdem Qabus 1970 seinen Vater Said ibn Taimur gestürzt hatte, führte er den Oman aus seiner bis dahin fast mittelalterlichen Verfassung mit dem Bau von Schulen und einem breit angelegten Infrastrukturprogramm in die Neuzeit. Gut ausgebaute Straßen, stets gefüllte Trinkwasser-Reservoirs im ganzen Land machen den Oman heute zu einem modernen arabischen Land, das zwar über keinen so großen Öl-Reichtum verfügt, wie seine Nachbaremirate, dafür aber trotz des Wandels seiner Tradition treu geblieben ist. Das Pro-Kopf-Einkommen der Omanis liegt heute bei rund 20.000 Dollar pro Jahr.

Jedoch ist Qabus, inzwischen 75, krank. Da er keine Kinder und keine Brüder hat, muss sich die Königsfamilie nach seinem Tod – so will es die Verfassung – innerhalb von drei Tagen auf einen Nachfolger einigen. Gelingt das nicht, so hat der Sultan mit einem versiegelten Testament vorgesorgt, in dem er selbst einen Nachfolger bestimmt. Der Machtwechsel könnte durchaus zu Konflikten im Land führen, blieben unter der Regierungszeit des Sultans demokratische Reformen doch aus, und setzt der anhaltend niedrige Ölpreis den Staatsfinanzen deutlich zu. Wie sich das Land künftig entwickeln wird, ist völlig offen.

Shah Alam in seinem Beduinenzelt. Foto: Lothar Ruttner
Shah Alam in seinem Beduinenzelt. Foto: Lothar Ruttner

Die omanische Wirtschaft stützt sich unübersehbar auf eine hohe Zahl von Arbeitsmigranten. Mit fast 25 % Anteil an der Gesamtbevölkerung ist die Zahl der Einwanderer hoch. Der Großteil stammt aus Bangladesh, Pakistan, oder den Philippinen, von wo aus die Menschen vor der Armut fliehen, um in der Wüstensonne die nötigen Dollar zu verdienen, die ihre Familien zu Hause ernähren. Es sind die Beduinen unserer Zeit, die nicht mehr von der Suche nach Futter für ihr Vieh, sondern jener nach Geld für Ihren Lebensunterhalt getrieben werden.

So auch Shah, der am Rande der Rub’ Al-Khali lebt. An einer von Tamariskenbäumen gesäumten Straße kommt man, von Shagag aus, an einer Farm mit 80 Kamelen vorbei. Dort arbeitet der aus Bangladesh stammende Mann als Kamelhirte. Er empfängt uns in seinem Beduinenzelt und bietet uns Kamelmilch zum Kosten an. Sie schmeckt deutlich wässriger, etwas geschmackloser, aber salziger als die uns bekannte Kuhmilch. Der Besitzer der Kamelherde stammt aus Dubai. Für seine Arbeit bekommt Shah im Monat rund 400 Dollar, zu wenig als dass seine Frau und seine Kinder nachkommen dürften. Seit 4 Jahren lebt er inzwischen hier. Seine Familie hat er seither nicht mehr gesehen. Leider reicht das Geld auch nicht für einen Besuch in der Heimat.

Nachdem wir gemeinsam gekocht und gegessen haben, singt er, von unserem Fahrer Yachiya auf der Trommel begleitet, ein Lied über seine Geschichte und seine Sorgen: Als ihm die Arbeit hier angeboten wurde, war er glücklich, weil er seiner Familie nun Geld schicken und sie ernähren konnte. Als sein Arbeitgeber aber zur Hadj nach Saudi-Arabien fuhr, hinterließ er kein Geld, und Shah damit ohne etwas zum Leben zurück. In vier Jahren läuft seine Arbeitsgenehmigung aus. Ob er bleiben kann, weiß er noch nicht. Wie er seine Kinder dann ernähren soll, sollte er nicht bleiben können, weiß er nicht. Er wird wohl weiterziehen müssen.

Berührt von seinem Lied fragen wir ihn, ob er hier denn glücklich sei. Ja, er hätte ja hier sein Auskommen und könne für seine Familie sorgen, antwortet er. Sein Blick verrät eine andere Sprache.


Adels Wüstensalat:

Der Salat besteht nur aus Zutaten, die sich ohne Kühlung gut transportieren lassen:

1 Dose Kichererbsen
1 Dose weiße Bohnen
1 Dose Rote Beete
1 Limette
gemahlener Kreuzkümmel (Kumin)
Olivenöl
Salz, Pfeffer

Die Hülsenfrüchte und die rote Beete abseihen und in einer Schüssel verschmischen. Salz, Pfeffer und Keuzkümmel würzen, und mit dem Saft einer Limette und Olivenöl abschmecken. Fertig.

Wenn man nicht gerade in der Wüste unterwegs ist, harmonieren ein wenig frisch gehackte Korianderblätter ganz wunderbar damit.

 

Destination: Oman

Telefon: Internationale Vorwahl 00968

Zeitdifferenz gegenüber MEZ: +3 Stunden (keine Umstellung auf Sommerzeit)

Beste Reisezeit: Oktober bis März

Einreise: Ein gültiger Reisepass und ein Visum sind erforderlich. Für Staatsbürger der Schengen-Staaten ist das Visum direkt bei der Einreise am Flughafen in Maskat gegen Zahlung einer Gebühr erhältlich. 

Anreise: Omanair fliegt direkt von Frankfurt und München nach Maskat, Swiss von Zürich aus via Dubai. Mit Umsteigen bieten sich Turkish Airlines via Istanbul, oder die Arabischen Airlines Emirates, Etihad oder Qatar Airways über deren Hubs in Dubai, Abu Dhabi oder Doha an. Qatar Airways fliegt auch den Flughafen Salalah in Dhofar an.

Wüstensafari: In die Rub’ Al-Khali sollte man keinesfalls auf eigene Faust fahren, da eine eventuelle Panne in der menschenleeren Wüste sonst lebensbedrohlich werden kann. Viele lokale Reiseveranstalter bieten eintägige oder mehrtägige Wüstenfahrten an.
Ein empfehlenswerter Reiseveranstalter für Oman-Reisen in Deutschland ist Nomad Reisen (Tel. 06591-94998), der zahlreiche, für jeden Reisestil angepasste Reisen im Angebot hat.

Destination bereist im März/April 2013

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