La vera pizza napoletana

Pizza Margherita in der Pizzeria Da Michele in Neapel. Foto: Lothar Ruttner

Im Streit, wie die beste Pizza beschaffen sein muss, bilden sich in der Regel zwei Lager und die Trennlinie verläuft zwischen zwei Polen: die einen mögen den Boden hauchdünn und den Rand schön knusprig, die anderen bevorzugen einen dicken Boden, mit einem weichen, luftigen Rand. In der Diskussion vergessen wird aber noch eine ganz andere Art, Pizza zu backen – nämlich die neapolitanische.

Die Legende besagt, dass der neapolitanische Pizzabäcker Raffaele Esposito und seine Frau Maria Giovanna Brandi 1889 in den königlichen Palast zu Capodimonte eingeladen wurden um für das Königspaar Umberto I. und Margherita von Savoia, die zu Besuch in Neapel waren, Pizza zu backen. Von den drei servierten Pizzen hat eine, belegt mit Tomaten und Mozzarella und gewürzt mit etwas Basilikum, den Beifall der Königin erhalten. Ihr zu Ehren gab Esposito seiner Kreation ihren Namen: die Pizza Margherita war geboren. Und sie verhalf ihrem Erfinder zu Ruhm und Erfolg. Die Pizzeria Brandi gibt es heute noch.

Auch wenn die Geschichte so wahrscheinlich nicht stimmt, die Pizza, wie wir sie heute kennen, dürfe ein Kind Neapels sein. Und so ist man dort auch besonders bedacht, die wahre Tradition des Pizzabackens aufrechtzuerhalten, und nicht durch sich weiter verbreitende Fast-Food-Ketten verwässern zu lassen. Der Pizzabäcker (oder Pizzaiolo, wie er in Italien genannt wird) Antonio Pace hat 1984 einige Regeln aufgestellt, wie die wahre Pizza zuzubereiten ist, und hat damit die Associazione verace pizza napoletana gegründet, die seither deren Einhaltung überprüft. Nur wer seine Pizza so bäckt, wie die Ahnen, hat das Siegel der Vereinigung verdient und darf seine Pizza original neapolitanisch bezeichnen.

Und dieses Siegel ist auf nur zwei Sorten beschränkt: Die Pizza Marinara – belegt mit Tomaten, Olivenöl, Oregano und Knoblauch – und jene 1889 erfundene Pizza Margherita – mit Tomaten, Olivenöl, Mozzarella oder Fior di latte und Basilikum. Der Belag alleine macht aber noch keine Pizza aus, die Beschaffenheit des Teiges ist mindestens genauso wichtig. Und die hat bei der neapolitanischen Pizza ihre Besonderheit: rund, mit einem Durchmesser von 30 bis 35 Zentimeter muss sie sein, der Cornicione, der Rand rundherum, muss schöne Blasen bilden und frei von verkohlten Stellen sein, und schließlich muss der Teig hauchdünn, weich und elastisch sein. Damit das gelingt, braucht es jede Menge Erfahrung.

Antonio Paces Vater Vincenzo, der schon mit 11 Jahren am Pizzaofen stand, fasst es zusammen:

„Das Geheimnis der Pizza liegt im Teig. Das Rezept? Es existiert nicht, und ich kann Ihnen sagen warum nicht: weil ich gelernt habe, seit ich ein Kind war, dass sich der Teig mit dem Wetter ändert, heiß oder kalt, trocken oder feucht. Zum Beispiel, wenn es kalt ist, braucht er heißes Wasser und etwas Salz, wenn es heiß ist, mehr Salz, weil es das Aufgehen zügelt. All diese Dinge muss man am Abend davor bedenken, wenn man den Teig vorbereitet. Zehn, zwölf Stunden braucht es für ein perfektes Aufgehen des Teiges. Man kann den Prozess schon standardisieren, aber es ist die Erfahrung, die die Kunst ausmacht.“ (zitiert nach pizzanapoletana.org)

Wie sehr das eine Kunst ist, die ihre Anhänger hat, zeigen die langen Schlangen vor den beliebtesten Pizzerien der Stadt, wo die Menschen bei jeder Wetterlage gerne auch eine Stunde vor der Türe warten, bis sie an der Reihe sind und einen der begehrten Plätze zugewiesen bekommen. Etwa in der erwähnten Pizzeria Brandi, oder bei da Michele – beide übrigens nicht Mitglied in der Vereinigung.

An dieser Stelle zitiere ich Elizabeth Gilbert, denn besser als sie in ihrem, später mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmten Buch Eat, Pray, Love kann man da Michele eigentlich nicht beschreiben:

„Die Pizzeria Da Michele ist ein kleines Lokal mit zwei Gasträumen und einem Ofen, der nie erkaltet. Sie liegt etwa fünfzehn Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt – überlegen Sie erst gar nicht, gehen Sie einfach hin! Man sollte schon ziemlich früh am Tag dort sein, weil ihnen manchmal der Teig ausgeht, was einem das Herz bricht. Gegen ein Uhr mittags sind die Straßen vor der Pizzeria von Neapolitanern verstopft, die versuchen hineinzukommen und dabei drängeln, als wollten sie einen Platz auf einem Rettungsboot ergattern. Eine Speisekarte gibt es nicht. Sie verkaufen hier nur zwei Sorten von Pizza: normal und mit einer Extraportion Käse. Nichts von diesem südkalifornischen New-Age Oliven-und-getrocknete-Tomaten-Möchtegernpizza-Quatsch. Der Teig ähnelt geschmacklich – und ich brauche eine halbe Stunde, um das herauszukriegen – indischem Naan. Er ist weich und feucht und nachgiebig, aber unglaublich dünn. Ich dachte immer, in Bezug auf Pizzaböden gebe es nur zwei Optionen: dünn und knusprig oder dick und weich. Wie hätte ich ahnen können, dass es auf dieser Welt einen Pizzaboden gibt, der dünn und weich ist? Bei allem, was heilig ist! Auf den Teig wird eine süße Tomatensauce gestrichen, die cremig aufschäumt und Bläschen wirft, wenn sie den frischen Büffel-Mozzarella zum Schmelzen bringt. Der Basilikumzweig in der Mitte verbreitet sein Aroma über die gesamte Pizza, so ähnlich wie ein einziger Filmstar auf einer Party allen Anwesenden durch sein Auftauchen zu einem Glamour-Hoch verhilft. Natürlich ist es schier unmöglich, dieses Gebilde zu essen. Man versucht, ein Stück abzubeißen, und der weiche Boden gibt nach, und der heiße Käse läuft davon wie die Ackerkrume bei einem Erdrutsch, und man bekleckert sich und seine Tischnachbarn.“ (Elizabeth Gilbert: Eat, Pray, Love: Eine Frau auf der Suche nach allem quer durch Italien, Indien und Indonesien. Berliner Taschenbuchverlag, 2010)

Wem jetzt nicht das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

 

Destination: Neapel

Telefon: Internationale Vorwahl 0039

Beste Reisezeit: ganzjährig

Anreise: Alitalia, Lufthansa, Swiss, Austrian, Eurowings, Easyjet fliegen Neapel direkt an. Vom Flughafen fährt ein Bus zum Bahnhof und zum Hafen. Neapel ist auch mit dem Hochgeschwindigkeitszug Frecciarossa direkt aus Mailand, Bologna, etc. erreichbar.

Die Assoziazione verace pizza napoletana betreibt unterhalb des Museo di Capodimonte ein Schulungszentrum, zu dem auch eine Pizzeria gehört. (Mo–Fr von 9.30–18.30 Uhr). 
Via Capodimonte 19a, 80131 Napoli
www.pizzanapoletana.org

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